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erklären und auch einen zukünftigen Lauf andeuten. In einem Wort: es gibt kein end-
gültiges Wesen Mensch, weil es kein fixes Milieu gibt. "Der" Mensch wäre von diesem
Gesichtspunkt aus nur ein christliches Konstruktgebilde. Kurz gefasst: Der Mensch ist
bis jetzt aggressionsbereiter als alle anderen Tiere und vielleicht nur durch Aufklärungs-
arbeit zum Besseren zu bewegen.55 Es ist demnach also von keinem guten oder schlech-
ten Menschenwesen die Rede, sondern lediglich von verderblichen oder verbesserungs-
fähigen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Freud äußert diesen Gedanken u.a. in sei-
nem kleinen Aufsatz "Vergänglichkeit" (Freud, 1916a [1915]) und in dem längeren
"Zeitgemäßes über Krieg und Tod" (Freud, 1915b). Für Freud, der die zwei erwähnten
Schriften unter dem erschütternden Eindruck des ersten europäischen Krieges schreibt,
war es gerade dieser Krieg, welcher "unser Triebleben in seiner Nacktheit" bloßstellte
(Freud 1916a, [1915] S. 360).
54
Eine ausführliche, wertvolle Ausführung der konstitutiven Dialektik in Theorie und Praxis der
freudschen Psychoanalyse findet man in Fischer 2005.
55
"Man wirkt, so gut man kann, als Aufklärer..." (Freud 1895d. GW I, S. 285).
67
7.- Die Psychoanalyse -qua Dialektik- als antifundamentalistischer Trend
7.1. Psychoanalytische Lehre: der Mensch ist gleichzeitig gut und böse
Nach der psychoanalytischen Trieblehre ist der Mensch sowohl gut wie böse veranlagt
und all sein Verhalten ambivalent behaftet. Eros und Thanatos sind ständig im Konflikt
zueinander eingerichtet. In dem vorliegenden Text sprechen wir permanent über die
Psychoanalyse als ein dialektisches Denkmodell, das sich mit unserer Schwachheit und
Hinfälligkeit auseinanderzusetzen und diese zu erforschen sucht. Hingegen, das Modell
der fundamentalischen Denkart tendiert zur Verleugnung der wahren Widersprüchlich-
keit unserer Grundstruktur. Zusammengefasst, es geht um die Konfrontation mit der ag-
gressiven Ausstattung des Menschen und ihrer verdrängten Mischung mit Erotik. Ja,
manchmal mischt sich Eros auch mit dem Aggressionstrieb.
Die Freudsche Aufklärungsarbeit in bezug auf das Aggressionspotential der Men-
schen, das sie fähig macht, andere Menschen totzufoltern und ihre Vernichtungslust
auszuleben, sollte den unaufhaltsamen Optimismus der Fortschrittsgläubigen ernüch-
tern. Für Freud, wie übrigens auch für Schopenhauer und Hobbes, neigen wir alle von
Anfang an zu Ungerechtigkeit und Gewalt. Diese drei Denker sprechen von dem bos-
haften Menschengeschlecht. Das Schlagwort "das Böse ist mitten unter uns" sollte ei-
gentlich anders lauten: "Das Böse sind wir" oder, mit Freuds (1991 [1915i]) eigenen
Worten: "Wir sind die Nachkommen einer unendlich langen Generationsreihe von Mör-
dern. Die Mordlust steckt uns im Blute (...). In unserem Unbewussten sind wir alle noch
heute eine Rotte von Mördern (...), ja, unser Unbewusstes mordet selbst für Kleinigkei-
ten (...), ein wahres Glück, dass alle diese bösen Wünsche keine Macht besitzen. Das
Menschengeschlecht wäre sonst längst ausgestorben (...). Wir sind immer noch die
Mörder, die unsere Vorfahren in Urzeiten waren. Ich kann Ihnen das alles ruhig sagen,
weil ich weiß, dass Sie es ja doch nicht glauben. Sie glauben mehr Ihrem Bewusstsein,
das solche Möglichkeiten als Verleumdungen zurückweist." Fundamentalistisches Den-
ken, hingegen, pflegt sich selbst als gut und rein einzubilden, als würdiges Abbild Got-
tes.
68
7.- Die Psychoanalyse -qua Dialektik- als antifundamentalistischer Trend
Diese maßlose Aggressivität des Menschen, welche als Verleumdung zurückge-
wiesen wird, ist natürlich nicht neu, und für diese strikte Verleugnung der Mordbereit-
schaft ist die christlich-jüdische Tradition eine ungeheure ideologische Stütze, ein rech-
ter Förderer (vgl. Peter Schneider 1994). Ihr Menschenbild hat unvermeidbar ein endlo-
ses Aneinandervorbeireden zur Folge, wobei nicht einmal die Unversöhnlichkeiten radi-
kal diverser Ausgangspunkte anerkannt werden. Innerhalb der jüdisch-christlichen Tra-
dition ist die Bösartigkeit des Homo Sapiens (und übrigens auch bloß die Existenz des
Übels) unannehmbar. In diesem Sinne zeigt sich Freud nicht als Jude. Bekanntermaßen
vertrauen die Juden den anderen Menschen, aber dieses Vertrauen steht in direktem Zu-
sammenhang mit ihrem Glauben an Gott. Es wäre ungeheuer, ja sogar Gotteslästerung,
wenn die Juden kein Vertrauen zum Menschen hätten oder schlecht vom Menschen
dächten. Letztendlich wird das Bild des Menschen (oder der Natur) verschönt, um den
vermeintlich göttlichen Schöpfer zu schützen, davon ausgehend, dass ein vermutlicher-
weise allmächtiges und allgütiges, übernatürliches Wesen nichts mit der Boshaftigkeit
seiner Kreaturen oder dem Übel überhaupt zu tun haben kann. Die Frage der "Freiheit"
scheint mir in diesem Zusammenhang nur eine ausgeklügelte Ausrede.
Im Verlauf des Holocausts sind nach der These von Raul Hilberg (1994) viele
Fragen aufgekommen, darunter der heute kaum zu bezweifelnde, unzureichende Wider-
,
stand der Juden56 , über dessen Ursache sich schon viele Autoren Gedanken gemacht ha-
ben. Die Anpassung und der Angleichungstrieb sind eine starke Tradition im Judentum, [ Pobierz całość w formacie PDF ]
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erklären und auch einen zukünftigen Lauf andeuten. In einem Wort: es gibt kein end-
gültiges Wesen Mensch, weil es kein fixes Milieu gibt. "Der" Mensch wäre von diesem
Gesichtspunkt aus nur ein christliches Konstruktgebilde. Kurz gefasst: Der Mensch ist
bis jetzt aggressionsbereiter als alle anderen Tiere und vielleicht nur durch Aufklärungs-
arbeit zum Besseren zu bewegen.55 Es ist demnach also von keinem guten oder schlech-
ten Menschenwesen die Rede, sondern lediglich von verderblichen oder verbesserungs-
fähigen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Freud äußert diesen Gedanken u.a. in sei-
nem kleinen Aufsatz "Vergänglichkeit" (Freud, 1916a [1915]) und in dem längeren
"Zeitgemäßes über Krieg und Tod" (Freud, 1915b). Für Freud, der die zwei erwähnten
Schriften unter dem erschütternden Eindruck des ersten europäischen Krieges schreibt,
war es gerade dieser Krieg, welcher "unser Triebleben in seiner Nacktheit" bloßstellte
(Freud 1916a, [1915] S. 360).
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Eine ausführliche, wertvolle Ausführung der konstitutiven Dialektik in Theorie und Praxis der
freudschen Psychoanalyse findet man in Fischer 2005.
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"Man wirkt, so gut man kann, als Aufklärer..." (Freud 1895d. GW I, S. 285).
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7.- Die Psychoanalyse -qua Dialektik- als antifundamentalistischer Trend
7.1. Psychoanalytische Lehre: der Mensch ist gleichzeitig gut und böse
Nach der psychoanalytischen Trieblehre ist der Mensch sowohl gut wie böse veranlagt
und all sein Verhalten ambivalent behaftet. Eros und Thanatos sind ständig im Konflikt
zueinander eingerichtet. In dem vorliegenden Text sprechen wir permanent über die
Psychoanalyse als ein dialektisches Denkmodell, das sich mit unserer Schwachheit und
Hinfälligkeit auseinanderzusetzen und diese zu erforschen sucht. Hingegen, das Modell
der fundamentalischen Denkart tendiert zur Verleugnung der wahren Widersprüchlich-
keit unserer Grundstruktur. Zusammengefasst, es geht um die Konfrontation mit der ag-
gressiven Ausstattung des Menschen und ihrer verdrängten Mischung mit Erotik. Ja,
manchmal mischt sich Eros auch mit dem Aggressionstrieb.
Die Freudsche Aufklärungsarbeit in bezug auf das Aggressionspotential der Men-
schen, das sie fähig macht, andere Menschen totzufoltern und ihre Vernichtungslust
auszuleben, sollte den unaufhaltsamen Optimismus der Fortschrittsgläubigen ernüch-
tern. Für Freud, wie übrigens auch für Schopenhauer und Hobbes, neigen wir alle von
Anfang an zu Ungerechtigkeit und Gewalt. Diese drei Denker sprechen von dem bos-
haften Menschengeschlecht. Das Schlagwort "das Böse ist mitten unter uns" sollte ei-
gentlich anders lauten: "Das Böse sind wir" oder, mit Freuds (1991 [1915i]) eigenen
Worten: "Wir sind die Nachkommen einer unendlich langen Generationsreihe von Mör-
dern. Die Mordlust steckt uns im Blute (...). In unserem Unbewussten sind wir alle noch
heute eine Rotte von Mördern (...), ja, unser Unbewusstes mordet selbst für Kleinigkei-
ten (...), ein wahres Glück, dass alle diese bösen Wünsche keine Macht besitzen. Das
Menschengeschlecht wäre sonst längst ausgestorben (...). Wir sind immer noch die
Mörder, die unsere Vorfahren in Urzeiten waren. Ich kann Ihnen das alles ruhig sagen,
weil ich weiß, dass Sie es ja doch nicht glauben. Sie glauben mehr Ihrem Bewusstsein,
das solche Möglichkeiten als Verleumdungen zurückweist." Fundamentalistisches Den-
ken, hingegen, pflegt sich selbst als gut und rein einzubilden, als würdiges Abbild Got-
tes.
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7.- Die Psychoanalyse -qua Dialektik- als antifundamentalistischer Trend
Diese maßlose Aggressivität des Menschen, welche als Verleumdung zurückge-
wiesen wird, ist natürlich nicht neu, und für diese strikte Verleugnung der Mordbereit-
schaft ist die christlich-jüdische Tradition eine ungeheure ideologische Stütze, ein rech-
ter Förderer (vgl. Peter Schneider 1994). Ihr Menschenbild hat unvermeidbar ein endlo-
ses Aneinandervorbeireden zur Folge, wobei nicht einmal die Unversöhnlichkeiten radi-
kal diverser Ausgangspunkte anerkannt werden. Innerhalb der jüdisch-christlichen Tra-
dition ist die Bösartigkeit des Homo Sapiens (und übrigens auch bloß die Existenz des
Übels) unannehmbar. In diesem Sinne zeigt sich Freud nicht als Jude. Bekanntermaßen
vertrauen die Juden den anderen Menschen, aber dieses Vertrauen steht in direktem Zu-
sammenhang mit ihrem Glauben an Gott. Es wäre ungeheuer, ja sogar Gotteslästerung,
wenn die Juden kein Vertrauen zum Menschen hätten oder schlecht vom Menschen
dächten. Letztendlich wird das Bild des Menschen (oder der Natur) verschönt, um den
vermeintlich göttlichen Schöpfer zu schützen, davon ausgehend, dass ein vermutlicher-
weise allmächtiges und allgütiges, übernatürliches Wesen nichts mit der Boshaftigkeit
seiner Kreaturen oder dem Übel überhaupt zu tun haben kann. Die Frage der "Freiheit"
scheint mir in diesem Zusammenhang nur eine ausgeklügelte Ausrede.
Im Verlauf des Holocausts sind nach der These von Raul Hilberg (1994) viele
Fragen aufgekommen, darunter der heute kaum zu bezweifelnde, unzureichende Wider-
,
stand der Juden56 , über dessen Ursache sich schon viele Autoren Gedanken gemacht ha-
ben. Die Anpassung und der Angleichungstrieb sind eine starke Tradition im Judentum, [ Pobierz całość w formacie PDF ]